Jordanien

Frankfurt Main, Flughafen am Check In-Schalter. Auf mich wartet ein Flieger in Richtung Aqaba, Jordanien. Doch zuerst gilt es, meinen Rucksackmotor abzugeben. Durch frühere Erfahrungen bereichert, lege ich den Motor mit neuem Tank, neuen Benzinschläuchen und einem Wunderbaum im TravelBag auf das Band. Abgesehen davon habe ich am Motor alle Gebrauchsspuren an Auspuff und Zylinderkopf entfernt und bin auf alle Diskussionen mit der Phrase „Hilfsantrieb für Gleitschirmsysteme“ vorbereitet. Bloß das Wort Motor vermeiden! Doch diesmal läuft alles stressfrei.

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In der Halle begrüßt uns das Team des Aqaba Tourismus. Für den Transport wird uns vorerst ein kleiner Reisebus zur Verfügung gestellt. Dieser füllt sich rasch mit Material und Mensch. Die ersten zwei Tage der Tour verbringen wir zum Großteil mit Tauchgängen im Roten Meer, da es an der Küste einfach zu windig ist. An Tag 3 starten wir per Minibus in Richtung Wadi Rum, dem größten Wüstengebiet Jordaniens. 2011 wurde es in die Weltkulturerbeliste der UNESCO aufgenommen. „Selbst die Sterne verneigen sich bei uns vor diesem Land“, erzählt mir später ein Beduine mit Respekt und tiefer Hochachtung.

An Bord des Fliegers vergehen die Stunden schnell. Der Zwischenstopp in der Hauptstadt Amman dient als Sammelpunkt einer bunt gemischten Gruppe aus England, Frankreich und Deutschland: Dan, Bobby, Stefan, Fergus, Franck und ich selbst. Einige Namen mögen dem einen oder anderen ein Begriff sein. Am nächsten Morgen geht es weiter nach Aqaba. Zur Freude aller Beteiligten spuckt das Transportband alle Motoren, Käfige und Koffer nach und nach aus, so dass sich unsere lustige Reisegruppe dem letzten Ankunftsscan stellen kann.

 

Als wir kurz vor Sonnenuntergang immer mehr Sand um uns herum bemerken, geht es für den Bus aufgrund der widrigen Straßenverhältnisse nicht mehr weiter. Wir steigen kurzerhand in mehrere Pick-Ups um, die uns in einem wilden Ritt bis an unseren Bestimmungsort transportieren. Den berühmten Felsen des Wadi können wir bei der Ankunft nur noch schemenhaft vor dem Sternenhimmel erkennen, denn mittlerweile ist es Nacht geworden. Wir betreten ein diffus beleuchtetes, großes Beduinenzelt. Die Insassen kommen zum Vorschein, um uns zu begrüßen. Unser Fahrer macht sich sogleich ans Werk und bereitet auf einer Feuerstelle in einer großen Pfanne das Abendessen zu. Danach lassen wir uns müde und satt auf extra für uns vorbereitete Matratzen fallen – und schlafen bald ein.

Von der Sonne wach geküsst, wird uns erst die Position unseres Nachtlagers bewusst: Direkt am Fuße eines großen Berges gelegen, mitten in einer weitläufigen Wüste.

Jetzt sind wir alle umso heißer, endlich in die Luft zu kommen! Einer nach dem anderen lässt den Motor warmlaufen und sucht sich einen möglichst guten Startplatz. Wir können nach langer „Durststrecke“ nun das erste Mal endlich fliegen und Jordaniens Landschaft aus der Luft beobachten. Eine karge Schönheit mit riesigen Felsen, hier und da mit üppigem Bewuchs. Die Sonne bringt schnell Unruhe in unser Fliegen, so dass wir bald alle wieder zur Landung kommen. Welch ein aufregender Auftakt!

Als alle Motoren auf den Pickups befestigt sind, geht es weiter durch das Wadi Rum.

Ein anderes Wüstencamp soll uns für die Mittagshitze Unterschlupf gewähren, denn die Temperaturen steigen mittlerweile Richtung 40° C. Der nächste Flug erwartet uns am Abend – und übertrifft alle Erwartungen. Stellt euch einen Canyon mitten in der Wüste vor, der sich in zwei Richtungen durchfliegen lässt. Am Ende
wird man noch mit einer weiten Steppe unwahrscheinlichen Ausmaßes belohnt. Mit den letzten Sonnenstrahlen landen wir völlig glückselig. Ähnlich wie am Vortag essen wir zusammen und fallen müde ins Bett. Am nächsten Morgen brechen wir schon früh zu einem weiteren Flug auf. Dann fahren wir Richtung Petra. Jede Beschreibung Petras sei sinnlos, da sie der Wirklichkeit nicht gerecht werde – so schwärmte T. E. Lawrence alias „Lawrence von Arabien“ von Jordaniens unglaublicher Felsenstadt. Leider erwarten uns bei Ankunft starke Winde, wegen denen wir uns mit einigen Bieren begnügen müssen. Am nächsten Tag ist die Lage unverändert, sodass wir wie normale Touristen die Sehenswürdigkeit besuchen und unseren Spielplatz für den morgigen Tag begutachten.

Niemand ist hier je mit einem Motorschirm geflogen! Schließlich entscheiden wir uns, am nächsten Tag direkt auf der Straße aus Petra heraus zu starten.

Frühmorgens würde diese noch nicht hoch frequentiert sein. Mit einem etwas mulmigen Gefühl wachen wir auf – wird alles gut gehen? Gibt es durch die umliegenden Berge Scherwinde? Wie trifft uns die Thermik? Das Wetter spielt wie vorhergesagt mit. Am Startplatz angekommen suchen wir uns den geradesten Teil der Straße heraus und machen uns bereit, während die Crew sich auf einem Felsvorsprung in Position bringt. Schon kurz nach dem Start bietet sich ein fantastisches Bild des Weltkulturerbes inmitten der hohen Berge rundherum. Wie vorher einstudiert fliegen wir hintereinander mit etwas Höhenunterschied in die immer enger werdende Schlucht, um dann am passenden Punkt einen 180° Turn zu machen und wieder herauszufliegen. Wichtig ist, nicht zu tief in die Schlucht zu fliegen, um noch den Umkehrpunkt zu erwischen. Nach ca. 1 ½ Stunden landen alle Piloten wieder mit leuchtenden Augen auf der Straße.

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Wir wissen, dass sich für den nächsten Tag viel Wind ankündigt und so verbringen wir die erste Tageshälfte mit einer Sightseeingtour.

Da die Straße später nicht mehr als Startoption zur Verfügung steht, weichen wir auf ein Gebiet weiter von der Felsenstadt entfernt aus. Diesmal ist schon der Anflug ein absolutes Erlebnis, denn die zerklüftete Felslandschaft bietet einen wahnsinnigen Ausblick. Nach der Landung zeigt sich uns ein phänomenaler Sonnenuntergang. Wir halten einen kurzen Augenblick inne, um dann alle Sachen vor der Dunkelheit zu verstauen.

Schon am frühen Morgen machen wir uns auf zu unserem nächsten Ziel – der Ruine von Shoback Castle.

Die kurze Anfahrt lässt uns genug Zeit die Anlage mit einem Führer zu erkunden. Ausgehungert von dem ganzen Sightseeing genießen wir anschließend das Nationalgericht „Mansaf“, das auf einem Teller mit einem Meter Durchmesser serviert wird. Die Grundlage ist Reis, der durchsetzt ist mit Nüssen und Trockenfrüchten und mit Hammelfleischstücken und einer Art Joghurtsauce bedeckt wird.

Nach dem feudalen Mahl machen wir uns auf, um einen geeigneten Startplatz zu finden, und entscheiden uns für einen steinigen Feldweg. Aus der Luft zeigt sich die hügelige Landschaft in voller Pracht.

Wie auch schon in Petra formieren wir uns hinter- und übereinander und umfliegen das Plateau.

Als ich als erster wieder Richtung Startstrecke komme, bemerke ich, dass viele Autos zusammengekommen sind. Und noch immer strömen auf der Landstraße Menschen zusammen. Als wir wieder am Boden stehen werden wir bejubelt wie Rockstars. Dana, ein Naturreservat hoch in den Bergen Jordaniens, ist unser nächster Stopp. Leider lässt das Wetter keinen Flug zu. So genießen wir den Ausblick in eine unwirkliche, weite Berglandschaft vom Boden aus. Nach einem kleinen Rundgang führt unser Weg uns Richtung Totes Meer. Eine Art Mond- bzw. Dünenlandschaft bietet sich uns dar. Die Mission: Dünen überfliegen. Das ist Schwierigkeitslevel 8,5 von 10.

Warum? Der Startplatz ist steinig und geröllig, es ist fast 12 Uhr mittags bei einer dünnen Schichtbewölkung, kaum Wind und Wüstentemperaturen von ca. 39° C.

Am meisten Sorgen mache ich mir um die Schirme. Der erste Start muss passen, da es sonst zu Blessuren an Tuch oder Leinen kommen könnte. Wir setzen zum Start an … und … schaffen es! Die Hitze lässt uns jedoch starke Ablösungen spüren, fast so, als wenn man gegen eine Mauer fliegt. Immer wieder bockt es kräftig, da wir nur wenige Meter über Grund fliegen und kurz über den Dünenkämmen. Doch die Schirme bleiben stabil und spurtreu. Nach einer knappen Stunde setzen wir zur Landung an und brechen anschließend wieder auf.

Jordanien 4 Paraglider

Fast zwei Stunden später erreichen wir das Hotel direkt am Toten Meer. Dick mit Heilschlamm eingeschmiert lassen wir uns auf dem Salzwasser treiben und schauen uns den Sonnenuntergang über Israel an, bis uns der Bademeister über sein Schichtende informiert und wir das Meer zu verlassen haben. Wieso bloß ein Bademeister an einem unsinkbaren Meer, frage ich mich?

Am Morgen führt uns unser letzter Halt zum Royal Air Sport Club Jordanien, der Einladung unseres ständigen BegleitersCaptain Teymour folgend. Dieser hat uns während der Reise den Luftraum für unsere Flüge freigehalten. Der Club verfügt über eine Betonpiste von ca. 800 m, die entlang des Grenzzauns zu Israel führt. Mit den Worten: „Wo auch immer ihr hier fliegt, bitte tut mir den Gefallen und biegt nicht nach rechts ab“, entlässt er uns auf die Piste. Der Wind gewährt uns erst am Nachmittag einige Runden am Platz. Dann planen wir unseren letzten Coup: Einen Flug entlang des Toten Meeres bis zu unserem Hotel. Der Wind, bei unserem Start noch stark, lässt immer mehr nach und so fliegen wir knapp 30 Minuten mit nur einem kleinen Vorhaltewinkel beinahe mühelos. Das türkisgrüne Tote Meer glitzert. Es macht einen Heidenspaß mit den Füßen Linien ins Wasser zu ziehen, bevor wir direkt am Strand unseres Hotels landen. Auch dieser Flug geht mit einem fulminanten Sonnenuntergang zu Ende. Nach der Landung entledigen wir uns unserer Klamotten und springen ins Wasser.

Am folgenden Tag heißt es Abschied nehmen. Für das Gruppenbild posieren wir neben unseren Motoren mit dem gesamten Team und unseren Begleitern des Airsport Club Jordanien, die mittlerweile so etwas wie unsere Familie geworden sind.

Die Motoren reinigen wir mit einem Kärcher und befreien sie von allen Benzinrückständen. Jeder hatte seine eigene Strategie: Der eine demontiert Airbox und Vergaser, der andere spült lediglich den Tank und entfernt alle Schläuche. Schließlich werden wir zum Flughafen Amman gefahren, um den Heimflug anzutreten. Der Eingangsscan der Fluggeräte bringt noch einmal Diskussion mit sich. Zum Glück dürfen alle Beteiligten passieren. Ein letzter Abschied untereinander und nach aufregenden Tagen trennen sich unsere Wege. Goodbye Jordanien!

Text: Björn Lürßen & Eva Tymko

Fotos: Am Boden Fergus Kennedy. In der Luft: Dan Burton

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